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Interview mit Rüdiger Dworschak „Die Zeit ist reif für Alternativen“

Rüdiger Dworschak, geschäftsführender Gesellschafter der 1stQ Deutschland GmbH, bleibt auch in unberechenbaren Zeiten Akteur, um Geschehnisse zu steuern und Kunden dabei zu unterstützen, trotz drastisch erschwerter Bedingungen handlungsfähig zu bleiben. Im Interview spricht er über Sicherheit, Nachhaltigkeit und ein notwendiges Umdenken.

 

Herr Dworschak, wie erleben Sie die Corona-Pandemie?

In dieser Krise erleben wir alle, allen voran kleine und mittlere Unternehmen, ungekannte Herausforderungen und tiefe Einschnitte – auch wenn uns als Implantat-Hersteller im medizinischen Bereich die Auswirkungen sicherlich weniger hart treffen als einige andere Branchen. Betriebe aus der Hotellerie und Gastronomie zum Beispiel werden keine Chance bekommen, ihren verlorenen Umsatz nachzuholen. Das gilt für unsere Einnahmen nicht so kategorisch, ein Teil davon wird sich vermutlich eher verschieben. Dennoch mussten auch wir, wie so viele, Kurzarbeit anmelden. Im März und April hatten unsere Mitarbeiter kaum etwas zu tun, ob in der Logistik, im Kundenservice oder in der Buchhaltung. Unser Umsatz brach drastisch ein. Aber wir machen das Beste aus der Situation und nutzen seit dem Lockdown die gewonnene Zeit, um über drei Themen nachzudenken: Nachhaltigkeit, Sicherheit und unsere Verantwortung für beides.

 

Wie äußert sich das zum Beispiel?

Konkrete Fragen, denen wir gewissenhaft nachgehen, sind zum Beispiel: Wie verantwortungsvoll sind wir bisher mit unseren Ressourcen umgegangen? Wo können wir etwas verbessern? Dabei haben wir nicht nur das im Blick, was unmittelbar für uns als produzierendes Unternehmen relevant ist, sondern auch die Effekte auf unsere Kunden. Unsere Optimierungen sollen unter anderem dazu dienen, ihnen im Kontext von Nachhaltigkeit und Sicherheit das Arbeiten zu erleichtern und sie bestmöglich zu unterstützen. Dazu haben wir Arbeitskreise eingerichtet, etwa im Produktmanagement und in der Produktentwicklung.

 

Großveranstaltungen wie Kongresse uns Symposien haben Sie für 2020 abgesagt – inwiefern verstehen Sie das als im Sinne der Kunden?

Diese proaktive Entscheidung haben wir zugunsten von Sicherheit und Effizienz getroffen. So wichtig und bewährt solche Events sein können – aus meiner Sicht ist es unmöglich, alle Teilnehmer verbindlich dazu zu bewegen, zu jedem Zeitpunkt sämtliche Infektionsschutzmaßnahmen wie Abstandsregeln und Hygiene einzuhalten. Die Situation ist einfach zu unübersichtlich. Unser Leitmotiv „safety first“ schließt neben unseren Mitarbeitern auch Kongressbesucher, Lieferanten und alle weiteren Beteiligten ein. Deshalb setzen wir lieber auf Planungssicherheit für alle und den verlässlichen Einsatz von Kapazitäten.

 

In welcher Form?

Zum Beispiel planen wir lokale, fortbildungsrelevante Mikroveranstaltungen sowie Webinare für größere Gruppen. Kurz vor Inkrafttreten der Pandemieregelungen etwa wollten wir per Online Live Surgery in der Stuttgarter Charlottenklinik neue Operationsmethoden vorstellen. Digitale Events sparen hohe Mengen CO2. Ich bin nicht generell gegen große Präsenzveranstaltungen, aber in Zeiten wie diesen müssen wir noch mehr Verantwortung übernehmen und Alternativen aufzeigen. Die Zeit ist reif, bisherige Abläufe in Frage zu stellen und, wo es sinnvoll ist, die Chance zur Optimierung zu ergreifen.

 

Erfordert das eine besondere Vertriebsstruktur?

Unsere Vertriebsstruktur haben wir schon 2019 mit Webinaren und engmaschig-individuellen Kundenveranstaltungen weiter zukunftsfähig gemacht. Gerade arbeiten wir an Online-Tutorials und einem erweiterten digitalen Informations- und Interaktionsangebot. Unsere Vertriebsmitarbeiter stehen ihren Kunden überwiegend beratend zur Seite, besonders bei komplexen Fällen. Das braucht umfassendes Know-how. Solche Experten greift man nicht einfach vom Markt ab, sondern man muss sie selbst ausbilden. Das dauert Jahre, liefert also keinen schnellen Erfolg. Da sind wir wieder bei Nachhaltigkeit – ein Grund, warum ich mich vor 25 Jahren selbstständig gemacht habe.

 

Sie haben sich selbstständig gemacht, um nachhaltig arbeiten zu können?

Genau. Bei meinem früheren Arbeitgeber, einem börsennotierten US-Konzern, hätte ich so eine Investition in die Expertise von Mitarbeitern niemals umsetzen können. Mein damaliger Chef war nur an Zahlen interessiert. Er hätte mich sofort gefragt, wieviel Geld sich damit in den nächsten Monaten verdienen lässt. Und darauf hätte ich antworten müssen: nichts, erst mal wird es uns Geld kosten. Es kam auch vor, dass ich kurz vor Quartalsende Mitarbeiter entlassen musste, damit die Zahlen stimmten. Danach stellte ich sie wieder ein. So wollte ich nicht arbeiten. Ich wollte es besser machen, auch wenn die Umsetzung letztlich natürlich einige Zeit gedauert hat. Nun bin ich seit Langem selbst Chef, und deswegen kann 1stQ genau das tun, was mir am Herzen liegt: in die hauseigene Expertise und Erfahrung investieren, auf einem stabilen Fundament in gesunder Weise – nicht explosionsartig – wachsen, um auf lange Sicht wettbewerbsfähig zu bleiben. Einige unserer Mitarbeiter sind schon seit mehr als 20 Jahren dabei. Das ist in der heutigen Zeit längst nicht mehr selbstverständlich.

 

Mit welchem Gefühl schauen Sie auf die aktuelle Unternehmenslandschaft in Deutschland?

Ich hoffe, dass gerade angesichts der aktuellen Krisensituation ein Umdenken stattfindet, dass solide mittelständische Unternehmen wieder mehr gesehen, in ihrer Bedeutung für die regionale und nationale Wirtschaft wertgeschätzt und akzeptiert werden. Das schließt die Bereitschaft seitens der Hersteller, aber auch der Kunden und Konsumenten ein, für solide Produkte Geld auszugeben, statt ausnahmslos auf „billig“ zu setzen. Ein fairer Preis umfasst auch kundenorientierten Service und Verlässlichkeit, das Vertrauen zum Beispiel auf gesicherte Lieferketten und gleichbleibende Güte dank standortnaher Produktion. Neben 1stQ gab es früher viele weitere Start-ups, aber die allermeisten von ihnen haben nicht überlebt. Ein Drittel der aktuell bestehenden Unternehmen wird es mit Blick auf die aktuelle Krise vermutlich ebenfalls nicht schaffen. Insbesondere die, die sich bislang nur mit Krediten über Wasser gehalten, aber sich keine Substanz erarbeitet haben. Substanz bedeutet nicht, die Stakeholder zum Quartalsende zufrieden zu stellen. Worum es wirklich geht, ist Know-how, Veränderungsbereitschaft und Kreativität, Beharrlichkeit und Geduld, hohe Güter- und Leistungsqualität. All das zahlt verlässlich auf das Konto von Sicherheit und Nachhaltigkeit ein – nur so kann ein Unternehmen die Zeit intakt und widerstandsfähig überdauern und guten Gewissens einen Weg für die nachfolgende Generation bereiten.

 

Welche weiteren nachhaltigen Maßnahmen haben Sie geplant oder etabliert?

Im März sind wir ins Eastsite Elysium in Mannheim gezogen, eine Immobilie mit bisher einzigartig nachhaltigem Energiekonzept, anhand dessen sich das Gebäude fast vollständig selbst mit Strom und Wärme versorgt. Besonders fasziniert mich, dass die Energie für das Heiz- und auch das Kühlsystem des gesamten Hauses aus einem mit einer Photovoltaikanlage gekoppelten Eisspeicher kommt. Außerdem bereiten wir in unserem neuen Bürohaus unser eigenes Trinkwasser aus der Leitung auf. Das spart die permanente Anlieferung von Flaschenkisten und schont die Umwelt so in mehrfacher Hinsicht. Die Investitionskosten werden sich bereits binnen weniger Wochen amortisiert haben. Das steht für uns aber nicht im Vordergrund – denn selbst, wenn es ein Jahr dauern würde, bis sich die Kosten rechnen würden: Wir reden ja über Nachhaltigkeit. Dasselbe gilt für unsere neue Produktlinie von Einmalinstrumenten für chirurgische Eingriffe im Zuge von verbesserter Arbeitsqualität und Infektionsvermeidung.

 

„Einmalinstrumente“ klingt wenig nachhaltig.

Nur auf den ersten Blick, wenn man den zusätzlich anfallenden Verpackungsmüll betrachtet. Wir bieten die Instrumente allerdings in einem Recycling-Prozess an und führen gebrauchtes Material dem Kreislauf wieder zu. Einmalinstrumente haben hinsichtlich optimiertem Arbeiten den großen Vorteil, dass sie immer maximal präzise und 100-prozentig steril sind – und damit immer sofort einsatzfähig. Mehrfachinstrumente hingegen können durch die umfangreichen Aufbereitungsprozesse, die nach jeder Nutzung notwendig sind, verschleißen, mit dem Resultat einer eingeschränkten Funktion. Zudem binden ihre Abholung, die Reinigung und die erneute Auslieferung Personal sowie Arbeitszeit und verursachen erhöhten Wasserverbrauch. Kurierfahrzeuge erzeugen CO2. Überdies lassen die Reinigungsgänge in der Regel chemische Rückstände im Abwasser zurück, die wieder herausgefiltert werden müssen. Das alles entfällt bei Einmalinstrumenten, die im Übrigen durch unsere weitgehend automatisierte Fertigungstechnologie bereits ressourcenschonend in Deutschland hergestellt werden. Unser Vorhaben bedeutet zwar im ersten Schritt definitiv höhere Kosten, aber es geht uns eben um langfristige Erfolge. Dafür lohnt es sich. Schnellere Klimaschutz-Ergebnisse erzielen wir aber auch.

 

Nennen Sie gerne ein Beispiel.

Wir beteiligen uns zum Beispiel an der Kampagne „PLANT-MY-TREE®​“. Pro 100 implantierten 1stQ-Linsen schenken wir unseren Kunden ein Zertifikat über eine Baumspende. Jeder der Bäume wird eigens im Rahmen nachhaltiger Wiederaufforstung in Deutschland gepflanzt, um den Ausstoß von CO2 zu kompensieren. Ein einziger Baum neutralisiert im Laufe seines Lebens üblicherweise mindestens 1.000 Kilogramm CO2. Mit dem Projekt wollen wir zeigen, wie leicht man die Bilanz positiv beeinflussen kann. Stellen Sie sich mal vor, das würde jedes Unternehmen in Deutschland machen: seine Co2-Bilanz mit Bäumen neutralisieren. Das gäbe ein beeindruckendes Resultat für den Klimaschutz. Und es ist so einfach. Einen Beitrag wie diesen kann wirklich jedes Unternehmen leisten – ohne hohen Zeit- und Kostenaufwand.

 

Was geben Sie anderen Unternehmen noch mit auf den Weg?

In der Wirtschaft erleben wir seit jeher das Streben nach Gewinnmaximierung. Das war früher nicht anders, als es heute ist. Aber es kann nicht mehr nur rein um Profit gehen. Das ist im wahrsten Wortsinn gegen unsere Natur. Ich bin überzeugt, dass in Zukunft nur derjenige Erfolg haben wird, der auch Nachhaltigkeit und Sicherheit in seiner Gesamtbilanzierung berücksichtigt. Nur so können wir die Empfindlichkeit unseres Systems aufheben und die Abhängigkeit von Fremdfaktoren reduzieren. Meiner Erfahrung nach hilft es immer, vorausschauend über die aktuelle Situation und ihre Verbesserungswege nachzudenken. In einem größeren Zusammenhang. Alles andere ergibt sich automatisch. Es obliegt uns als Unternehmern, kreative, massentaugliche Lösungen anzubieten und entsprechend Zeit und Geld zu investieren.

 

Da haben Sie viel vor!

Wir alle brauchen Ziele, Perspektiven und Visionen. 1stQ geht mit gutem Beispiel voran. Wir sind eines der letzten noch bestehenden inhabergeführten Unternehmen im Bereich Linsenchirurgie in Deutschland – wegen unserer Linientreue: Was wir tun, ist nachhaltig. Wir gehen stets verantwortlich mit Ressourcen um. Das ist schon immer Teil unseres Firmenleitbildes. So sind wir bisher aus allen Krisen gestärkt hervorgegangen. Im Grunde ist es ganz simpel: Die Situation zu ändern, liegt in der Kraft und der Kreativität eines jeden Einzelnen. Voraussetzung ist die Bereitschaft, in Nachhaltigkeitsüberlegungen zu investieren und danach konsequent die notwendigen Schritte in die Zukunft zu gehen.

 

Das Interview aus den Opthalmologische Nachrichten können Sie hier lesen.